Vor ein paar Wochen haben wir Fragen an die Stadtverwaltung gestellt bezüglich eines Zauns an der neuen Synagoge. Schon seit Jahren wünscht sich die jüdische Gemeinde einen solchen Zaun um die Sicherheit der Besucher*innen verbessern zu können. Bislang hat die Stadtverwaltung die Gemeinde immer wieder vertröstet und plante vielmehr den Platz so umzugestalten dass er mehr Aufenthaltsqualität hat. Man hatte das Gefühl, dass der Stadt das ästhetische Empfinden wichtiger war als die Sicherheit der jüdischen Gemeinde. Dank der Einschätzung der Polizei auf unsere Anfrage scheint die Stadt nun tatsächlich Handlungsbedarf zu sehen, sodass die Platzgestaltung nun immerhin vorgezogen wird. Ein wichtiger, erster Erfolg nach der langen und unwürdigen Hängepartie.

Hier die Antworten der Stadt und Polizei auf unsere Anfrage:

Sehr geehrte Frau Stadträtin,

sehr geehrter Herr Stadtrat,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 02.05.2023 an Herrn OB Horn, auf das ich Ihnen hiermit in Abstimmung mit meinen Kollegen Herrn Bürgermeister Breiter und Herrn Bürgermeister Prof. Dr. Haag gerne antworte:

  1. Wird die Stadtverwaltung das Sicherheitsbedürfnis der jüdischen Gemeinde ernstnehmen und zeitnah einen Zaun an der Synagoge realisieren? Steht zum jetzigen Zeitpunkt fest, dass ein Zaun in den Planungen der Platzgestaltung um-gesetzt wird?

Die Stadtverwaltung nimmt das Sicherheitsbedürfnis der jüdischen Gemeinde sehr ernst. Dazu wurden und werden zum einen konkrete Maßnahmen ergriffen, zum anderen verschiedene auch bauliche Optionen aufgezeigt.

Die Abgrenzung eines Teiles des Platzes durch einen Zaun, oder eine Mauer bedeutet einerseits einen erheblichen Eingriff in den öffentlichen Raum und kann andererseits andere Sicherheitsmaßnahmen nicht ersetzen. Die vorgesehenen Planungen zur Aufwertung des Platzes vor der neuen Synagoge werden jedoch als Variantenuntersuchung angelegt, die Vor- und Nachteile der verschiedenen diskutierten Lösungen aufzeigen und Entscheidungshilfen bieten sollen. Siehe dazu unter Frage 3.

  1. Wie ist der aktuelle Planungsstand? Wann kann mit der Fertigstellung des Zaunes gerechnet werden?

Es gibt momentan noch keine konkrete Planung zur Errichtung eines Zaunes, da zunächst die sonstigen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unsere Ausführungen zu Frage 1 und 3 und das Fazit.

  1. Im Rahmen der Debatte wurde auch eine Attraktivierung des Platzes an der Synagoge diskutiert. Wie ist hier der aktuelle Stand? Welche Institutionen sind in den Prozess eingebunden?

Im Rahmen des Förderprogrammes ‚Zukunftssichere Innenstädte und Zentren‘ ist das Teilprojekt ‚Umsetzungskonzept Klimaanpassungsmaßnahmen‘ vorgesehen. In einem zweistufigen Verfahren werden zunächst im Rahmen eines Screenings geeignete Teilbereiche und Einzelmaßnahmen ermittelt, in und mit denen die im Klimaanpassungskonzept Hitze für die Innenstadt nur weitgehend allgemein vorgeschlagenen Handlungsansätze konkret umgesetzt werden können.

In der zweiten Stufe sollen dann für ca. 3-4 ausgewählte Bereiche Teilbereichskonzepte in Vorentwurfsqualität erstellt werden. Als ein geeigneter Teilbereich ist hierfür auch der Platz vor der Neuen Synagoge vorgesehen. Hier liegen zum einen bereits Ideen und Vorschläge für eine Aufwertung des Platzes vor (u. a. vom Lokalverein Innenstadt), die ergänzt und auf ihre Realisierbarkeit geprüft werden sollen. Zum anderen sollen bei der Variantenentwicklung gezielt auch die Sicherheitsanforderungen der Neuen Synagoge und ihrer Besucher_innen betrachtet und berücksichtigt werden.

Insgesamt wird allen Anrainern und auch weiteren Beteiligten, wie z. B. dem Lokalverein Innenstadt oder der ASF, die Gelegenheit gegeben, Vorschläge und Hinweise in das Variantenspektrum einzubringen.

Erste Gespräche, u. a. mit der Israelitischen Gemeinde haben im April / Mai bereits stattgefunden. Dabei wurde der Vorschlag für einen Zaun auf städtischen Verkehrsflächen zur Abgrenzung einer Vorzone vor der Neuen Synagoge von den Gemeindevertreter_innen erneuert. Wie bekannt ist, gibt es auch erhebliche Einwendungen gegen einen solchen Präzedenzfall einer Abgrenzung im öffentlichen Raum. Die Studie kann und wird dazu keine Entscheidung treffen können. Sie soll jedoch dazu dienen, die verschiedenen Optionen bewertbar zu machen und Entscheidungsprozesse mit vor-zubereiten.

Mit den Vertreter_innen der Israelitischen Gemeinde wurde daher vereinbart, in einer der Varianten die Errichtung eines Zaunes nach ihren Vorstellungen darzustellen und zu untersuchen. Der Bearbeitungszeitraum für das ‚Umsetzungskonzept für Klimaanpassungsmaßnahmen‘ ist nach jetzigem Stand des Gesamtfördervorhabens für das III. bis IV. Quartal 2023 (Screening) sowie das IV. Quartal 2023 bis IV. Quartal 2024 (Teilbereichsplanungen) vorgesehen.

Das Konzept stellt eine vorbereitende Fachplanung dar. Die Ergebnisse und Empfehlungen werden dem Bau-, Umlegungs- und Stadtentwicklungsausschuss und ggf. weiteren Gremien vorgelegt.

Fazit und Bewertung der Stadtverwaltung:

Gerade auch im Hinblick auf die beiliegende Rückmeldung des Polizeipräsidiums Freiburg möchte die Stadtverwaltung die Variantenuntersuchung zur Aufwertung des Platzes der Neuen Synagoge, welche eine Umfriedung der Neuen Synagoge umfassen kann, vorziehen.

Aktuell werden die aus Sicht der Stadtverwaltung prioritär umzusetzenden Sicherheitsmaßnahmen an der Synagoge voraussichtlich im Verlauf dieses Sommers final abgeschlossen. Dies begrüßen wir ausdrücklich.

Bis Ende dieses Jahres sollen erste Gestaltungsvarianten für den Platz der Neuen Synagoge entwickelt werden. Ziel ist, bereits Anfang nächsten Jahres erste Ideen für die Neugestaltung des Platzes der Neuen Synagoge in den gemeinderätlichen Gremien vorzustellen und eine abschließende Entscheidungsfindung herbeizuführen.

 

Antworten der Polizei:

  1. Wie schätzt das zuständige Polizeirevier die Sicherheitslage der Synagoge ein?

Zunächst wird auf die aktuelle Lagebewertung des Bundeskriminalamtes vom 16.09.2022 und 06.04.2023 i. Z. m. jüdischen Feiertagen und einer konkreten Gefährdungslage jüdischer/ israelitischer Einrichtungen verwiesen, wobei keine erhöhten konkreten Gefährdungspotentiale für den Bereich der politisch motivierten Kriminalität vor-liegen. Dieser Bewertung schließt sich auch die Kriminalpolizei Freiburg in der örtlichen Lagebeurteilung an.

Durch die Lage der Synagoge in unmittelbarer Nähe der Fußgängerzone sowie der Obdachlosenanlaufstelle „Pflasterstub“ kommt es allerdings nicht selten vor, dass Passanten und Touristen, aber eben auch Obdachlose oder alkoholisierte Personen den Vorplatz oder Stufen zur Synagoge zum Aufenthalt nutzen. Insbesondere bei alkoholisierten Personen kann es dann zu Konflikten mit Besuchern der Synagoge kommen. Weiterhin werden durch diese Personen gelegentlich Gegenstände und Habseligkeiten im unmittelbaren Umfeld abgelegt, die von Verantwortlichen und Besuchern der Synagoge als potentiell gefährlich wahrgenommen werden. Zudem beeinträchtigen auch „innenstadttypische“ Straftaten und Ordnungsstörungen wie Graffiti, Sachbeschädigung, Müll, Urinieren in der Öffentlichkeit oder Ruhestörungen an oder im unmittelbaren Umfeld der Synagoge das Sicherheitsgefühl der Gemeindeangehörigen, selbst wenn diese Vorkommnisse in der Regel keinen antisemitischen Hintergrund haben.

  1. Wie ist die Einschätzung der Polizei bezüglich der Sinnhaftigkeit eines Zaunes an der Synagoge?

Aus polizeilicher Sicht bietet die Errichtung eines Zauns den Vorteil, dass ein zusätzlicher Schutzraum auf dem Vorplatz der Synagoge eröffnet wird. Bei Veranstaltungen sind Besucher bereits vor dem Betreten des eigentlichen Eingangsbereichs der Synagoge (an dem dann ggf. die Zugangskontrolle erfolgt) in einem relativ geschützten Umfeld. Insbesondere kann durch Abzäunung des Vorplatzes auch ein Großteil der nachfolgend beschriebenen missverständlichen Situationen verhindert werden. Bezogen auf mögliche Anschläge oder Angriffe stellt die Umzäunung eine Barriere dar, die potentiellen Tätern das Vordringen zum Eingang erschwert und verzögert. Dieser Zeitgewinn kann in solchen Fällen entscheidend sein, um rechtzeitig Türen zu verriegeln und sich in gesicherte Räume begeben zu können. Aus diesem Grund sind bundesweit viele Synagogen oder jüdische Einrichtungen zusätzlich mit Zäunen gesichert.

Weiterhin stellt eine Umzäunung aus rechtlicher Sicht eine sichtbare Abgrenzung/ Umfriedung dar, welche den Zutritt nur für einen berechtigten Personenkreis symbolisiert. Für den eingezäunten Schutzraum können somit Betretungsverbote für unberechtigte Personen erlassen werden. Die Missachtung dieser Betretungsverbote könnten strafrechtlich als Hausfriedensbruch sanktioniert werden. Beim Hausfriedensbruch handelt es sich um ein Strafantragsdelikt, so dass die verantwortlichen Vertreter der jüdischen Gemeinde mit einer Strafantragstellung eine strafrechtliche Sanktionierung veranlassen können.

  • 6. Wie viele Polizeieinsätze gab es im Rahmen der Sicherheit der Synagoge in den letzten zwei Jahren? Wie oft wurde die Polizei insbesondere für die Überprüfung unbeaufsichtigter Gegenstände vor der Synagoge gerufen?

Die Frage kann nicht exakt beantwortet werden, da eine statistische Erfassung in solcher Detailtiefe nicht erfolgt. Da sich unbeaufsichtigte Gegenstände im Rahmen der Überprüfung regelmäßig als harmlos herausstellen, wird auch kein Strafverfahren eingeleitet, das dann etwa in der Kriminalstatistik erfasst werden würde.

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen präventiven Schutzmaßnahmen anlässlich von geplanten Veranstaltungen (a) und Polizeieinsätzen bei konkreten Vorfällen (b) und Straftaten (c).

  1. a) Aufgrund der beschriebenen abstrakten Gefährdungslage sind bei vielen Veranstaltungen der israelitischen Gemeinde Polizeibeamtinnen und –beamte planmäßig vor der Synagoge präsent. Hierzu stehen Polizei und Sicherheitsbeauftragter der Gemeinde in kontinuierlichem Informationsaustausch. Durchschnittlich finden monatlich ca. 10 – 15 solcher Schutzmaßnahmen statt.
  2. b) Einsätze aus konkretem Anlass sind glücklicherweise deutlich seltener. Eine manuelle Recherche über die letzten 6 Monate ergab vier Einsätze wegen verdächtiger Personen oder Sachen.

– 12.08.2022 – Psychisch auffällige Person ohne politisch motivierten Hintergrund.

– 05.12.2022 – Einkaufswagen mit unbekanntem Inhalt direkt vor der Synagoge. Ergebnis: Habseligkeiten und Unrat

– 27.12.2022 – Urinieren einer Person ohne politisch motivierten Hintergrund.

– 26.02.2023 – Zwei männliche Personen vor der Synagoge, einer davon mit Kapuze und Schal vermummt. Personen halten eine Palästinaflagge und filmen sich augenscheinlich dabei mit dem Handy selbst.

  1. c) Einsätze anlässlich einer Straftat

– 23.12.2022 – Sachbeschädigung durch unbekannte Täterschaft mittels Graffiti in Form des Aufsprühens eines nicht leserlichen Schriftzuges mit einem Herz an einer Fensterscheibe des Nebeneinganges. Ein politischer Bezug kann ausgeschlossen werden, da weitere gleichartige Graffiti-Züge im Stadtgebiet festgestellt wurden.

  • 7. Wird bei unbeaufsichtigten Gegenständen ein Bombenräumkommando angefordert?

Bei derartigen Sachverhalten erfolgt grundsätzlich eine Einzelfallbewertung für polizeiliche Maßnahmen. Bei Gefahrenlagen mit einem konkreten Gefährdungspotential durch verdächtige Gegenstände wird ein polizeiliches Einsatzkonzept vollzogen, bei dem die Entschärfer des Landeskriminalamtes hinzugezogen werden. Eine pauschale Vorgehensweise ohne konkrete erste Lagebewertung würde den Grundsätzen einer effektiven und effizienten polizeilichen Einsatzdurchführung widersprechen.

In den letzten beiden Jahren war die Anforderung der Entschärfer des Landeskriminalamtes nicht erforderlich. Aus weiter zurückliegenden Jahren ist ebenfalls kein solcher Einsatz bekannt.