Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
Es erscheint wie ein anderes Zeitalter, wenn man sich an die 2018 und 2019 geführten Gespräche bezüglich eines Musikerhaus in D4 (Güterbahnhofsareal) zurückerinnert. Die Potenziale eines solchen Hauses wurden in leuchtenden Farben ausgemalt: ein Haus für Musiker und Musikerinnen um zu Proben, Experimentieren, Aufnehmen und Auftreten, sich vernetzen und gegenseitig zu bereichern.
Was wir heute hoffentlich entscheiden werden entspricht in vielerlei Hinsichten nicht den Visionen, die von Multicore und anderen kulturellen Playern entworfen wurden. Proberäume und Aufnahmestudios in den Räumlichkeiten in der Karlsruher Straße sind der nüchterne, nackte Kern der ursprünglichen Vision. Dies ist aus unserer Perspektive und vor allem in Anbetracht der aktuellen Finanzsituation dennoch ein zufriedenstellender Kompromiss.
Seit vielen Jahren fehlen bezahlbare Proberäume in Freiburg. Gerade für Nachwuchsmusiker und -musikerinnen stellt dies oft eine große Hürde dar, um sich ihrer Berufung, Musik zu machen, hinzugeben oder diese zumindest auszukundschaften. Mit der Schaffung von zentral verwalteten und bezahlbaren Proberäumen schaffen wir diese erste Hürde aus dem Weg und seien wir ehrlich: Hürden bleiben noch mehr als genug.
Unser Zeitalter ist geprägt von kapitalistischen Normen, an deren Ende immer die Frage nach der finanziellen Verwertbarkeit steht. Gerade in der Diskussion um die Corona-Soforthilfen und die Verfügbarkeit dieser für allgemein Soloselbstständige und spezifisch für Musiker und Musikerinnen dominieren Ansichten, die bestens mit der Aesopschen Fabel der Ameise und der Grille beschrieben werden können. Die Ameise ist das „funktionierende“ Mitglied der Gesellschaft, arbeitet hart und schöpft gegenständlichen Mehrwert. Die Grille musiziert den ganzen Sommer und verhungert bei Anbruch des Winters nicht ohne davor noch zynische Bemerkungen der Ameise über sich ergehen lassen zu müssen. Lieber als den Fabeln von Aesop habe ich als Kind der Erzählung von Frederik die Maus zugehört. Diese Erzählung lehnt sich an die Fabel an, schafft es aber die Wertigkeit der gesammelten Vorräte und die von Frederik gesammelten Farben und Lieder auf eine gleiche Stufe zu heben. Nur eines davon kann uns nicht durch die dunkle Zeit tragen.
In Kultur, konkret in gute und erschwingliche Proberäume zu investieren, signalisiert Commitment gegenüber Musikalischen Schaffens, deren Nutznießer*innen wir alle sind. Wir erkennen damit die Arbeit und die Leidenschaft, die musikalisches Schaffen mit sich bringt an.
Um nach Vollendung der baulichen Maßnahmen einen angemessenen Betrieb zu garantieren, sehen wir allerdings noch den Bedarf für einen Betriebskostenzuschuss für den oder die Betreiberin, um hieraus Personal und Ausrüstung zu finanzieren. Wir werden im kommenden Haushalt einen entsprechenden Antrag einbringen.
Für den heutigen Tag und die heutige Beschlussfassung bleibt nur zu sagen, dass wir uns sehr über den Vorstoß der Stadtverwaltung freuen, 1,1 Millionen € für den Umbau von Kellerräumlichkeiten in der Karlsruher Straße zu Proberäumen und Studios im aktuellen Haushalt einzustellen und wir der Vorlage zustimmen werden.
Ebenfalls werden wir heute über Mittel in nicht unerheblichem Umfang für die corona-gebeutelte Kulturszene entscheiden. Auch hier halten wir es für richtig und wichtig, dass dieser Branche notwendige Hilfen zu teil werden und wir als Gemeinderat unsere Anerkennung für die Arbeit ausdrücken.
Kritisiert werden muss in diesem Prozess aber eine gewisse Intransparenz. Die konkreten Hilfen wurden im Gegensatz zum ersten Clubförderfonds nicht öffentlich ausgeschrieben. So ist nicht klar, nach welchen Kriterien Gelder ausgeschüttet werden. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als auf die Arbeit des Kulturamtes zu vertrauen und zu hoffen, dass wir möglichst viele Kulturinstitutionen durch diese Krise begleiten können.
Vergessen wurden in diesem zweiten Förderanlauf leider weite Teile der Pop- und Subkultur. Deshalb fordern wir in unserem weitestgehenden Änderungsantrag nochmals einen Fonds für Musikspielstätten und Clubs aufzulegen. Dieses Mal sollen hier auch bewusst klassische Diskotheken mit aufgenommen werden. Auch wenn diese vielleicht selten dem größten musikalischen und künstlerischen Anspruch gerecht werden, sind sie doch ein wichtiger Standortfaktor für eine junge Stadt wie Freiburg. Ein weiteres Club- und Diskothekensterben können wir uns deshalb auch aus ökonomischen Gründen schlicht nicht mehr leisten!
Gerne wird argumentiert, wer Diskotheken hilft, müsse auch Fitnessstudios helfen. Discos seien kommerzielle Betriebe und müssten daher auch das finanzielle Risiko allein stemmen. Hier sei jedoch gesagt, dass Diskotheken im Gegensatz zur Gastronomie und Fitnessstudios seit März noch keinen einzigen Tag öffnen und auch keine Ersatzveranstaltungen durchführen konnten. Und auch in der Vorlage des Kulturamtes befinden sich ja Hilfen für kommerzielle, gewinnorientierte Konzertveranstalter*innen…
Wir würden uns deshalb freuen, wenn der Gemeinderat auch hier ein Zeichen in die Branche sendet und für einen weiteren Clubfonds votiert. Zumindest unseren Kompromissvorschlag, die übrigen Gelder aus dem ersten Fonds für Antragsstellungskosten auszuschreiben, halten wir für wichtig. So kann es auch gelingen, dass sich Betreiber*innen auf die verschiedenen Hilfsmaßnahmen von Bund und Land risikolos bewerben können und wir damit viel Geld nach Freiburg holen können.
Deshalb unsere Bitte: Senden Sie ein Zeichen in die bunte und kreative Pop- und Subkulturszene und stimmen Sie zumindest unserem Kompromissvorschlag zu.
Vielen Dank!