Sehr geehrte Herren Mack,
mit diesem Schreiben fordere ich Sie auf, umgehend eine Unterlassungserklärung abzugeben, und das von mir erlebte und auf Ihrer Webseite nachzulesende und im folgenden beschriebene diskriminierende Verhalten der Firma Europa-Park GmbH & Co Mack KG gegenüber bestimmter Personengruppen zu beenden. Sollte ich nicht bis zum 17.07.2020 um 12:00 Uhr eine entsprechende Erklärung erhalten haben, werde ich umgehend Klage wegen Diskriminierung nach §3a des Grundgesetzes einreichen. Ich überlege außerdem zivilrechtliche Schritte für den mir dadurch entstandenen Schaden einzuleiten.


Begründung:
Auf der Webseite des Europapark ist nachzulesen:
„Aus Sicherheitsgründen hat uns der Technische Überwachungsverein (TÜV) nicht gestattet, die Beförderung von Menschen mit Gehbehinderungen und Blinden an folgenden Fahrgeschäften freizugeben: Abenteuer Atlantis, Alpenexpress „Enzian”, Alpenexpress Coastiality, Arthur, Atlantica SuperSplash, blue fire Megacoaster powered by Nord Stream 2, Euro-Mir, Eurosat – CanCan Coaster, Eurosat Coastiality, Fjord-Rafting, Fluch der Kassandra, Geisterschloss, Matterhorn-Blitz, Pegasus – Die YoungStar Achterbahn, Wasserachterbahn Poseidon, Poppy Towers, Schweizer Bobbahn, Silver Star, Volo da Vinci, Tiroler Wildwasserbahn, WODAN-Timburcoaster
Wenn Sie in der Lage sind, optische Warnzeichen und Wegeleitsysteme wahrzunehmen, selbstständig zu laufen und hohe Treppenabstiege sicher zu bewältigen, dann dürfen Sie diese Fahrgeschäfte gerne nutzen.“
(Quelle abgerufen am 01.07.2020 https://www.europapark.de/de/infos/fuer-ihren-besuch/fuer-gaeste-mit-behinderung/informationen-fuer-ihren-besuch-im-europa-park?fbclid=IwAR1Ou8YKjUJjaEZcLCRONrbjZMYYmPXg-XtvxUj4TzyLaNwClIj-y6DSyuk )


Zunächst möchte ich feststellen, dass es sich beim TÜV um eine private Firma handelt, auf deren Urteil Sie sich hier verlassen, und in Deutschland keinerlei Gesetz existiert, das die Benutzung spezieller Fahrgeschäfte für bestimmte Personengruppen untersagt. Sollte der TÜV zu diesem Schluss gelangen, ließen sich die beanstandeten Probleme auf vielfältige Weise korrigieren anstatt die Nutzung aller Fahrgeschäfte, die für Erwachsene interessant sind, pauschal für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu untersagen. Der Heidepark, der als einziges ähnliches Angebot als Vergleich in Frage kommt beispielsweise, besteht bis auf 1,5 von 43 Fahrgeschäften, lediglich auf der Mitnahme einer Begleitperson:


Für unsere blinden Gäste: Du kannst fast alle unsere Attraktionen in Anspruch nehmen mit einer mitfahrenden Begleitperson, die mindestens 16 Jahre alt sein muss und im Falle einer Evakuierung Dir Anweisungen weiterleiten und erteilen wird. Jedoch ist der normale Fahrbetrieb sicherheitstechnisch nicht möglich mit Mountain-Rafting. An der Bobbahn behalten wir uns Deine Mitfahrt vor und entscheiden dies im Einzelfall anhand der am Tage aufgetretenen Störungen.“ (Quelle: https://www.heide-park.de/…/besu…/gaste-mit-einschrankungen/)

Behinderte Menschen sind, man mag es kaum glauben, mittlerweile eine selbstbestimmte Personengruppe geworden und durchaus in der Lage zu entscheiden, welches Risiko sie bereit sind einzugehen. Als kleine Lektüre empfehle ich Ihnen hierzu die UN-Behindertenrechtskonvention.

Mir wurde am 27.06. zwischen 14 und 15 Uhr ein Platzverweis in der Tiroler Wildwasserbahn erteilt, mit der Begründung, dass ich als blinder Mensch nicht in der Lage sei, diese Attraktion zu nutzen. Erstaunlicherweise hatte ich sie zu diesem Zeitpunkt bereits genutzt und habe unverletzt überlebt, ebenso wie die beiden 5- und 7jährigen Kinder der Familie, die ich begleitet habe. Ich bin bereits um die ganze Welt gereist, bin jahrelang Ski gefahren, habe zwei Bungeesprünge und einen Fallschirmsprung hinter mir. Ich bin gesurft, gesegelt, Wasserski gefahren, alles im offenen Meer, ich habe 3000er erstiegen, bin in bretonischen Küstenfelsen herumgeklettert, habe Dschungeltripps hinter mir, bin mit dem Rucksack durch unerschlossene Regionen gereist, und ich habe zu guter letzt etliche Freizeitparks besucht. In keinem Land der Welt zu keiner Zeit bin ich aus vorgeschobenen Sicherheitsgründen davon abgehalten worden eine Attraktion, die für die Massen ausgelegt ist, zu nutzen, außer im Europapark Rust.

Und ausgerechnet hier, vor meiner Haustür, in einem Land, das sich mit seiner Weltoffenheit rühmt, erfahre ich eine der größten Diskriminierungen, die ich als blinder Mensch je erlebt habe: Ich darf die Tiroler Wildwasserbahn, die für Kinder ab vier Jahren freigegeben ist, nicht nutzen. Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Ich weiß aber, dass es sich hier um eine absolut unzulässige pauschale Diskriminierung ganzer Personengruppen handelt.


Wie fadenscheinig das Argument der nicht gewährleisteten Sicherheit im Übrigen ist, beweisen Sie aktuell Tag für Tag. Im Park waren am 27.06. 15.000 Besucher. Zu keiner Zeit, an keinem Ort wurde auch nur im Entferntesten der vorgeschriebene Sicherheitsabstand eingehalten. Dies haben mir etliche Zeugen im Laufe des Tages bestätigt. Daran ändern auch automatisierte Durchsagen im 15-Minuten-Takt nichts. Dass Sie sich hier auf der einen Seite mit Bevormundung über meine Selbstbestimmung hinwegsetzen und parallel tausende Menschenleben gefährden, ja ein zweites Ischgl riskieren, lässt mich fassungslos zurück.
Die Realität ist nicht im Entferntesten mit den schönen Coronawerbespots auf Ihrer Webseite vergleichbar.
Es drängt sich hier der ungute Verdacht auf, dass es nicht primär um die Sicherheit der behinderten Fahrgäste geht, denn diese kann problemlos gewährleistet werden, ggf mit etwas finanziellem Aufwand. Vielmehr stören mobilitätseingeschränkte Gäste den reibungslosen Ablauf, da Fahrgeschäfte ggf kurz angehalten werden müssten, ggf mehr Personal notwendig wäre, etc.

Die „nette“ Geste, dass die beiden diskriminierten Personengruppen dafür keinen Eintritt bezahlen müssen, da sie ja sowieso keine der Attraktionen nutzen können, ist im Übrigen ebenfalls Makulatur, denn die Begleitperson bezahlt dafür den normalen reduzierten Eintrittspreis von aktuell 47 €. Die Begründung hierfür lautet, die Begleitperson könne ja die Fahrgeschäfte nutzen. Selbstverständlich setze ich mich im Park gerne für 8 Stunden auf eine Bank und warte, bis meine Begleitperson die Fahrgeschäfte genutzt hat, die ihr zustehen, die ich aber nicht nutzen darf. Wer täte dies nicht.


Das Land Tirol, die Schweiz, Mercedes Benz und Nordstream erhalten nachrichtlich Kenntnis von diesem Schreiben, da deren Namen und Markenrechte durch Ihr diskriminierendes Verhalten ebenfalls beschädigt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ramon Kathrein
Stadtrat der Liste Teilhabe und Inklusion in der Jupi-Fraktion im Gemeinderat Freiburg im Breisgau, Ergänzender Unabhängiger Teilhabeberater