Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Durch die Änderungen, die vom BTHG ausgehen, ist das Thema Teilhabe seit gut drei Jahren in den Fokus der Fachöffentlichkeit, vor allem aber der teilhabebeeinträchtigten Menschen gerückt. Das Bundesteilhabegesetz hat sehr viele lang gehegte Erwartungen und Forderungen neu aufleben lassen und leider nur in Maßen erfüllt. Die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe und deren Überführung in ein modernes Teilhaberecht ist jedoch ein maßgeblicher Erfolg. Viele Betroffene, aber auch Teile der Verwaltung, sind durch die neuen Regelungen verunsichert und überfordert. Umso wichtiger ist es, ein Planungsinstrument zur Hand zu haben, welches Sicherheit gibt, dass auch weiterhin die Versorgungsstruktur durch Teilhabeleistungen am Bedarf orientiert weiterentwickelt wird.
Der jetzt vorliegende Teilhabeplan beinhaltet viele wichtige und zielführende Maßnahmen, die es jetzt mutig anzupacken und umzusetzen gilt. Als Beispiel sei der ambulante Krisendienst genannt. Psychische Krisen lassen sich nun mal zeitlich nicht steuern und treten nicht immer montags bis freitags zwischen 9 und 17 Uhr auf, daher ist ein Krisendienst, der auch Wochenend- und Nachtzeiten abdeckt, eine absolut notwendige Ergänzung.
Auch das Ziel, mehr Menschen mit besonderem Wohnbedarf in der Regio unterzubringen und somit nicht komplett aus ihrem sozialen Umfeld herauszureißen ist absolut vorrangig. Natürlich gilt aber auch hier der Grundsatz ambulant vor stationär, auch in einer Krisensituation in der eigenen Wohnung bleiben zu können und die notwendige Unterstützung dafür zu erhalten, lässt viele Folgeprobleme gar nicht erst entstehen.
Werkstätten für Menschen mit Behinderung sind nach wie vor ein großer, ein zu großer Baustein in der Alltagsstrukturierung, obschon der überwiegende Teil psychisch beeinträchtigter Menschen einer Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgeht. Es muss das Ziel sein, die Möglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt auszuweiten und eine größere Durchlässigkeit im System zu schaffen. Der Trend geht seit einigen Jahren leider in die andere Richtung. Hier kann die Stadt Freiburg mit einem guten Konzept und gutem Beispiel vorangehen und mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung auch in der Stadtverwaltung und den städtischen Beteiligungen fördern.
Ein zentraler Punkt für die nächsten Jahre muss aber sein, Wohnformen für Menschen mit intensivem Betreuungsbedarf zu fördern und zu etablieren. Hier herrscht ein eklatanter Mangel, sowohl an Wohnmöglichkeiten als auch an Qualitätsstandards. Dies zeigt die aktuelle Studie von Prof. Theunissen dramatisch auf. Leider werden auch in Freiburg Leuchtturmprojekte wie die Vaubanaise oder die in der BZ erwähnte WG in Hochdorf immer wieder, auch von Kostenträgern, als Luxusprojekte diffamiert und dem muss ich hier entschieden widersprechen. Diese Projekte sollten die Richtschnur für künftige Wohnprojekte darstellen und nicht dauerhaft unterfinanziert werden. Würden all diese Menschen alleine wohnen, was ihr gutes Recht ist, wären sie auf 24-Stunden-Assistenz angewiesen und dies wäre mit erheblich höheren Kosten für die Stadt und die Landkreise verbunden.
In diesem Sinne hoffen wir auf die kontinuierliche Weiterentwicklung der Teilhabeplanung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe und der neuen Möglichkeiten, die durch das Bundesteilhabegesetzgeschaffen wurden.
Diese Rede wurde am 04.02.2020 im Gemeinderat gehalten.