Zum Tagesordnungspunkt Chancengleichheit für Frauen* in der Gemeinderatssitzung am 02.03.21 hat unsere PARTEI-Stadträtin Sophie Kessl folgende Rede gehalten:

Sophie Kessl Foto: Felix Groteloh

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, geschätzte Kolleginnen, liebe Damen und Damen, liebe Frau Thomas,

ich halte meine Rede heute hauptsächlich im generischen Femininum, alle anderen Geschlechter sind ausdrücklich mitgemeint, auch wenn sie doch – sind wir ehrlich – eher unwichtig sind.

Sollten sie mir bei einer meiner letzten Reden aufmerksam zugehört haben, könnte ihnen das ein oder andere schon bekannt vorkommen, aber da sich diesbezüglich leider immer noch nicht wirklich was zum Besseren verändert hat und ich am Wochenende lieber meinem Weltschmerz Raum gebe als Reden schreibe, erzähle ich ihnen einiges davon noch einmal.

Wir leben in einer männlichen Welt – einer Welt, in der Frauen seit Jahrtausenden nicht mitgedacht wurden – das Ergebnis spüren wir heute noch:

Frauen* sind bei öffentlichen Entscheidungen meist unterrepräsentiert, in der Kommunalpolitik, in Führungspositionen der öffentlichen Verwaltung und natürlich auch in der Wirtschaft – wie es neulich auch beim Wirtschaftstreffen der Stadt bewiesen wurde. So gibt es beispielsweise mehr Bürgermeister namens Thomas als Bürgermeisterinnen in Deutschlands größeren Städten. Auch in Freiburg haben wir mehr Frauenbeauftragte namens Thomas als Oberbürgermeisterinnen seit 900 +1 Jahren. Und übrigens auch mehr Martins als Bürgermeister als Bürgermeister*innen.

Auch wenn in Freiburg seit der neuen Zusammensetzung des Gemeinderats der Frauenanteil auf 41,66% gestiegen ist, braucht es immer noch eine Geschlechtergerechtigkeit!

Durch Corona hat sich diese Lage noch mehr verschlechtert: die Kinderbetreuung wird hauptsächlich von Frauen übernommen, die zusätzliche Belastung durch Homeschooling kommt noch dazu – die Rückkehr zum traditionellen, rückwärtsgewandten Rollenbild wird noch beschleunigt. Die Pandemie vergrößert alle gleichstellungs- und frauenpolitischen Probleme und Schieflagen und verursacht eine Retraditionalisierung. Für den ein oder anderen hier im Raum ist das vielleicht ein feuchter Traum – aber früher war nicht alles besser! Wie würdet ihr ohne Netflix, Amazon Prime und Pornhub überleben?

Wir Frauen sind es leid, immer wieder mit dem Kopf an die gläserne Decke zu stoßen. Nicht, weil es „unsere schönen Frisuren zerstört“ (dafür sorgt ja schon Corona) sondern weil so immer wieder vielversprechende Karrieren enden. In unserer Stadt liegen genügend Pflastersteine um das Glas aus Männerbünden, Seilschaften und rein informellen Pissiorrunden endgültig zum Bersten zu bringen, rein symbolisch natürlich…

So, liebe Nicht-Frauen und jetzt mal zu euch: Es reicht definitiv nicht, mit einer Frau verheiratet zu sein und Töchter gezeugt zu haben, um Feministin zu sein. Feministin sein bedeutet, dass man davon überzeugt ist und dafür eintritt, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleich viel wert sind, dieselben Rechte und Pflichten haben, und auch prinzipiell dieselben Möglichkeiten im Leben haben sollen. Es heißt, dass man sich dort, wo Menschen nach Geschlecht benachteiligt werden, dafür einsetzt, das zu verstehen und zu überwinden. Das ist der Minimalkonsens. Feministin sein, bedeutet zu gendern – ist nämlich gar nicht so kompliziert – vielleicht sind gewisse Menschen nur einfach sehr, sehr dumm.

Und – auch auf die Gefahr hin, dass den Konservativen hier im Raum gleich der Kopf platzt – Feminismus bedeutet auch queere Themen zu unterstützen. Um es mit den Worten meiner Genossin Dita Whip zu sagen: Homolobby statt Popolismus. 

Übrigens alle wohlgemeinten Frauen*versteher*innen hier: Die Rosen, die in sechs Tagen immer gerne verteilt werden, können Sie sich übrigens sonstwo hinstecken. Wir wollen Gleichberechtigung, keine überzüchteten, herbizitbelasteten Blumen aus Rosenfarmen in Afrika mit unhaltbaren sozialen und ökologischen Zuständen! Die haben wir ja schon bei uns!

Ach und nochwas: GaLiGrü an die BZ, vllt mag sie ja ausnahmsweise nicht der sog. AfD Platz einräumen, sondern mal über die wichtigen Themen berichten z. B. über Menschen mit Menstruationshintergrund.

In diesem Sinne: Feminismus ihr Fotz*innen!