Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeisterin und Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Zahlen, die auf dem Finanzbericht abgedruckt sind, sehen gut aus für die Stadt Freiburg, das meiste außerhalb davon leider eher nicht. In Anbetracht der letzten Monate und dessen, was für die nächsten Monate absehbar ist, habe ich das Gefühl, dass wir in der Politik viel schneller lernen müssen, um auf neue Situationen zu reagieren und die Menschen, die uns gewählt haben zu schützen. Nirgendwo wird diese Notwendigkeit deutlicher als im Bereich der Finanzpolitik, wo es um den Kern des politischen an sich geht, nämlich um die Frage nach der gerechten Verteilung von Last und Unterstützung.

Simon Sumbert, Stadtrat Junges Freiburg

Mut macht mir hierbei der Eindruck, dass die Stadtverwaltung und eine Mehrheit im Freiburger Gemeinderat zumindest die Bereitschaft zeigen voneinander zu lernen und dass sich auch das in der heutigen Vorlage widerspiegelt.

Im letzten Haushalt haben wir im Angesicht der Pandemie beschlossen, die Tariferhöhungen sowohl intern als auch an Zuschussempfänger*innen der Stadt im Sozial, Bildungs- und Kulturbereich nicht weiterzugegeben und es den betroffenen Institutionen selbst überlassen, wie sie diese Einsparung kompensieren.

Dieser Beschluss wurde uns gegenüber immer als absolute Notfallmaßnahme anlässlich der Unvorhersehbarkeit des Pandemieverlaufs kommuniziert.

Eine Argumentation, die eigentlich schon länger nicht mehr haltbar ist. Wir freuen uns deshalb, dass nun auch die SPD und Grüne den Mut gefunden haben, dies einzusehen und unsere Initiative unterstützen, die zusammengestrichene Weitergabe der Tariferhöhungen zumindest teilweise in Zukunft wieder zu berücksichtigen.

Diese Initiative wird der Stadt natürlich finanziell etwas kosten in einer Zeit, die unabwägbar ist. Wir halten das aus bekannten Gründen für vertretbar, aber viel wichtiger ist, dass wir den Kern dieser Debatte verstehen und etwas daraus mitnehmen. Drei Elemente spielen dabei gerade wenn es ums Geld geht eine zentrale Rolle.

  1. Die Zielgenauigkeit der Maßnahmen: Stephan Breiter liegt uns allen ja immer damit in den Ohren, dass nicht alles gleichzeitig geht und dass es eine politische Aufgabe ist möglichst effektiv zu priorisieren und er hat absolut Recht damit. Gleiches sollte jedoch auch an den Stellen gelten, an denen die Stadt Gelder einsparen möchte. Das Eine zu fordern und gleichzeitig das Rasenmäherprinzip, bei Einsparungen im Sozialbereich oder bei Bauprojekten anzuwenden, wirkt politisch kontraproduktiv und führt sozialen und gesellschaftlichen Verwerfungen.
  2. Konsistenz in der Argumentation: Wir sollten die Leuten gerade in Zeiten, die Entbehrungen mit sich bringen zumindest keinen Quatsch erzählen. Wir können Einsparungen vornehmen, weil wir ein strukturelles Defizit haben. Wir können Einsparungen vornehmen, weil wir durch einen externen Schock in eine akute Notlage geraten sind. Wir können es uns nicht leisten, beides zu vermischen und dadurch den Eindruck zu erwecken, wir nutzen die Krise zynisch aus, um unsere zukünftigen Haushaltslöcher zu stopfen. Das passende Churchill-Zitat hierzu lasse ich heute aus, dazu ist mir die Sache zu ernst.
  3. Nahbarkeit: In den letzten Monaten, habe ich mehr als eine Handvoll Male zu hören bekommen, dass durch die Maßnahmen ja nicht tatsächlich das Gehalt der Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen eingespart wurde, sondern lediglich der städtische Zuschuss in derselben Höhe. Das ist richtig (…) und es ist eine Nebelkerze. Wer sich einmal mit den Betroffenen der Einsparmaßnahme, insbesondere bei freien Trägern über deren Konsequenzen unterhalten hat, der weiß. Einsparungen im Sozialbereich sind Einsparungen im Sozilabereich und die sind immer spürbar, wenn nicht bei denen die Unterstützung geben, dann auf jeden Fall bei denen die Unterstützung brauchen. Soviel Ehrlichkeit gehört in einer solchen Debatte auch dazu.

Wenn wir nach vorne schauen, erwartet uns ein Winter, in dem alle nicht-reiche Menschen im Anblick ihrer Heizkostenrechnungen schlucken werden müssen, je niedriger das Einkommen, desto größer die Schwierigkeiten. Uns erwarten Schulen und weiteren öffentlichen Gebäuden, die einerseits Energie sparen sollen und gleichzeitig zum ständigen Lüften als Schutzmaßnahme vor dem Virus animiert werden. Und uns erwartet eine instabile wirtschaftliche Lage, die viel zu sehr abhängig vom russischen Irren ist. Gerade deshalb sollten wir aus der Debatte um die vergangenen Einsparungen konstruktive Schlüsse ziehen und jetzt damit beginnen, uns auf die nächsten Monate vorzubereiten. Der Antrag der Eine Stadt Für Alle Fraktion, bereits heute Rückstellungen zur Unterstützung von Menschen mit niedrigen Einkommen zu bilden, erscheint daher auf jeden Fall prüfenswert.

Und für alles weitere gilt festzuhalten:

Als Stadt sind unsere Möglichkeiten gegen globale Entwicklungen vorzugehen zwar begrenzt und unser finanzieller Spielraum noch begrenzter, aber ich hoffe die Stadtverwaltung und der Gemeinderat nimmt das als Herausforderung an, nicht als Ausrede. Unsere Stadt finanziell im Lot zu halten und gleichzeitig in eine gute Richtung weiterzuentwickeln ist vielleicht mehr denn je eine Gratwanderung, aber eine, die wir gehen wollen, sollen und auch müssen. Dankeschön.