Wir wollen zusammen mit den Grünen, Einer Stadt für Alle und Teilen der SPD/Kulturliste Einsparungen beim Kommunalen Vollzugsdienst (VD) der Stadt vornehmen. Warum wir dies vorhaben, könnt ihr in unserem FAQ dazu nachlesen.

Bisher ist die öffentliche Debatte dominiert von Stimmen aus Bürgervereinen und einem Teil der Gastronomie der Innenstadt. Dies wollen wir gerne ändern und stellen euch heute hier 9 Menschen aus Freiburg vor, die sich unserem Vorhaben anschließen und mit uns für eine Kehrtwende in der kommunalen Sicherheitspolitik einstehen:

Severine Kopti: Einzelhänderin in der Innenstadt und Vorsitzende des Freiburger Slow Clubs:

Als Shop-Managerin in einem etablierten Einzelhandel in der Freiburg Innenstadt, welcher das Gemeinwohl-Ökonomie-Prinzip praktiziert, deren Verfassungswerte Menschenwürde, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie beinhaltet, als Nacht- und Kulturmacherin in einem Freiburger Club, der u.a. auch der queer-feministischen Kulturszene ein Zuhause gibt und insbesondere als Frau und Konsumentin des Freiburger Nachtlebens und der Gastronomie seit nunmehr fast 30 Jahren, bin ich der Meinung, dass die Erfolge für Sicherheit, Gemeinwohl und Stadtklima besser durch präventive und somit nachhaltigere Maßnahmen erzielt werden und das Thema „Sichere Stadt“ als eine Daueraufgabe verstanden werden muss, und nicht erst wenn das Kind sprichwörtlich in den Brunnen gefallen, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bereits begangen und nicht überwindbare Probleme und Auseinandersetzungen zwischen bspw. Anwohner*innen und der Kultur- und Gastroszene an der Tagesordnung sind. Natürlich steht die Sicherheit in öffentlichen Räumen auch als ein zentraler Faktor für das Wohlbefinden der Bevölkerung und somit für die Lebensqualität einer Stadt.
Diese zu gewährleisten ist aber ein stetiger Prozess, denn eine Stadt steht ja nicht still, sie verändert sich und somit auch die Belange und Bedürfnisse und die daraus resultierenden Maßnahmen, die es zu ergreifen gilt. Hier bedarf es aber durchdachteren und nachhaltigeren Lösungen in Form von Mediation, Prävention und gemeinschaftlicher Konfliktlösung innerhalb der unterschiedlichen Interessengruppen.

Die bereits existierenden 16 KVD Stellen, von denen 2 aktuell nicht einmal besetzt sind, sollen ja nicht gänzlich abgeschafft werden. Denn es wird immer auch ad hoc Situationen geben, bei denen es sinnvoll ist, auf den Straßen präsent zu sein und spontan handeln zu können.
Aber muss bspw. eine Reiterstaffel eingesetzt werden, für die Polizeikräfte und Pferde jedesmal insgesamt 4 Stunden von Mannheim nach Freiburg und zurück gebracht werden um für 2 Stunden in Freiburg im Einsatz zu sein? Für mich transportiert dieses Bild weniger Sicherheit sondern eher Fehlinvestition, Steuergeldverschwendung, Stress für die Tiere und seltsam anmutende Repräsentation von Überwachung und Willkür, die keinesfalls auf Augenhöhe stattfindet.
Und was suggeriert das bitte schön Anwohner*innen und Besucher*innen einer Stadt? Es gibt eine Vielzahl an Aktionen, Initiativen und Projekten in Freiburg und Baden-Württemberg, die das Ziel verfolgen, bspw. speziell das Nachtleben für Frauen* sicherer zu machen. Diese zu unterstützen und finanziell zu fördern ist sinnvoll, nachhaltig und präventiv.
Denn hinter sexuellen Übergriffen steht immer ein frauenverachtendes Weltbild der Täter. Und das bekämpft man effektiver mit Aufklärung und Bildung und macht es somit im besten Fall erst gar nicht nötig, eine Armada an KVD’s patrouillieren zu lassen, denen ich persönlich als Frau nicht wirklich vertraue, da sie speziell für diese Belange nicht ausreichend ausgebildet sind.

Auch den ÖPNV, das Heimwegtelefon und das Freiburger Nachttaxi auszubauen und in den Alltag bzw. die Nacht als selbstverständliches und benutzer*innenfreundliches Angebot zu integrieren, erachte ich als notwendig und nachhaltig. Und mir fallen noch einige andere sinnvollere Maßnahmen ein, das Sicherheitsgefühl der Freiburger*innen zu stärken, als diese einem KVD zu überlassen, dessen Wirkungsweise doch sehr einseitig und bedingt zielführend ist. Dies mal so grundsätzlich. Die aktuelle Diskussion der Streichungen von 6 (resp. 4) Stellen des KVD basiert auf der aktuellen Corona-Lage, die massive Auswirkungen auf den sozialen und kulturellen Bereich sowie auf die Klimaproblematik haben, wo sich Prioritäten nun ganz klar verschieben (müssen). 
Notwendiges Handeln hat sich dringend auch an anderen Stellen aufgetan und mit bereits 11 gesetzten KVD Stellen plus einer vernünftigen und geförderten Präventionspolitik sollte Freiburg in der Lage sein, die momentane Sicherheit in Zusammenarbeit aller Akteur*innen zu gewährleisten.

Auch in der im neuen Doppelhaushalt beschlossenen Schaffung eine*r Nachtmanager*innen-Stelle sehe ich gutes Potenzial, für die Akteur*innen des Freiburger Nachtlebens, Gastronom*innen und Anwohner*innen bei der Problemvermittlung und -bewältigung eine*n verlässliche*n und vermittelnde*n Ansprechpartner*in zu gewinnen um gemeinsame Interessen und eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, als diese lediglich einem überrepräsentierten KVD zu überlassen. Das Argument, Freiburg hätte jetzt schon -ohne die geplanten Kürzungen- den kleinsten KVD in BaWü, ist kurzsichtig, passiv und nicht konstruktiv.
Statt sich auf andere Städte zu berufen, sollte Freiburg gezielt darauf schauen und hinarbeiten, wie es unter Berücksichtigung eigener Belange und Fähigkeiten besser oder anders gemacht werden kann. Das wäre innovativ, nicht einfach nur kopiert, durchaus tragfähig und hätte vielleicht auch mal Vorzeigecharakter.

Dita Whip, Freiburger Drag Queen und PARTEI Mitglied

Die Streichung einiger Stellen aus dem VD sehe ich persönlich als sinnvoll an. Weder ist der KOD eine Garantie der nächtlichen Sicherheit von Frauen* noch stellt der VD eine Kompetenz bei der Vorbeugung und Bekämpfung von Verbrechen dar. Dafür ist die Polizei zuständig. Wenn – um die Folgen der Pandemie finanziell abzufedern – die Förderung für soziales etc. eingegrenzt wird, so kann man auch beim VD eine Stellenstreichung vertreten. Der VD ist an sich ja eh umstritten und Lärmkonflikte zwischen Gastronom*Innen und Anwohnenden werden durch den VD auch nicht gelöst. Die meisten der Probleme um welche sich der VD kümmert sind über andere Mittel sinnvoller anzugehen. Final bleibt zu sagen, dass es den Befürworter*Innen weniger um das Thema der Sicherheit geht als um gefüllte Stadtkassen durch Strafzettel für unzählige Kleinigkeiten. Wenn man nur mal so hart gegen Querdenker und Co. vorgehen würde wie gegen Radfahrer*Innen am Bertholdsbrunnen. Ein Schelm wer da Böses vermutet.

Statement der Interessengemeinschaft Subkultur (Zusammenschluss verschiedenster Akteur*innen, Spielstätten und Gastronom*innen des Freiburger Nachtlebens)

Die IG Subkultur befürwortet das Aufbauen von Awareness-Strukturen, welche niedrigschwellig insbesondere an konfliktbehafteten Orten des Nachtlebens deeskalierend wirken können. Konflikten begegnet man am besten, indem man sie gar nicht erst entstehen lässt. Sobald Vollzugskräfte hinzuzuziehen sind, ist der Konflikt in aller Regel bereits im Gange. Eine sinnvolle Vorstufe wären daher Teams, welche auf Prävention und Sensibilisierung setzen. Diese “Streetworker:innen” haben andere Möglichkeiten, auf potenzielle Konfliktparteien zuzugehen und wahrgenommen zu werden, als es Polizei und Ordnungsamt vermag. Solche Teams nach bspw. dem Mannheimer Vorbild der “Nachtschicht” sollen auch in Freiburg beim Büro des:der Nachtmanagers:in angesiedelt werden, und ihre Arbeit in Abstimmung mit GVD und Polizei durchführen.

Die Stellenkürzungen beim Vollzugsdienst begreifen wir daher als Chance, neue Bausteine – welche andernorts bereits vielversprechende Ergebnisse erzielen – nun auch in Freiburg endlich anzuwenden.

Helen Breit, Gründungsmitglied von Urbanes Freiburg und Fanaktivistin

Ich befürworte den interfraktionellen Antrag zur Reduzierung des KOD. Kürzungen sind immer schmerzhaft – das darf aber nicht dazu führen, bestimmte Bereiche auszublenden. Die Reduzierung der vorgesehen Stellen mündet keineswegs in ein Sicherheitsproblem in Freiburg. Für die Kriminalitätsbekämpfung ist nach wie vor die Polizei zuständig. Der Kommunale Ordnungsdienst – wie der Name schon sagt – für Ordnungswidrigkeiten.

Auch wenn beides strukturell in der sogenannten Sicherheitspartnerschaft zwischen Stadt und Land miteinander verbunden wird: Ordnungsproblematiken wie Müll und Lärm haben keinen Effekt auf die Kriminalitätslage. Aus meiner Sicht wird von Gegner:innen der Reduzierung des KOD das subjektive Sicherheitsgefühl für die Akzeptanz ordnungspolitischer Maßnahmen instrumentalisiert. Dies vor allem auf Kosten des Sicherheitsgefühls von Frauen in unserer Stadt zu tun, ist völlig daneben. Gerade bei diesem Thema brauchen wir eine sachliche und differenzierte Debatte.

Linda Dreier, Inhaberin des Cafe Legere in der Freiburger Innenstadt.

Sicherheitsgefühl ist ein einfaches Totschlagargument. Natürlich möchte sich jede*r Bürger*in sicher fühlen. Auch das von Bürgervereinen angesprochene Thema des Schutzes von Frauen auf dem Nachhauseweg ist ein wichtiges Thema. Aber wie ein hauptsächlich männlich besetzter, kurz ausgebildeter Ordnungsdienst bei einem solchen komplexen Thema, dem Schutz vor sexualisierter Gewalt, tatsächlich was bewirken kann ist mir schleierhaft. Um unsere Stadt auch für Frauen langfristig sicherer zu machen, bedarf es eher einer Ursachenforschung und -beseitigung von männlichem Chauvinismus. Das beim VD eingesparte Geld wäre deshalb sehr gut in Sozialarbeit und Aufklärung investiert. 

Hierbei spielt auch das Thema „Sauberkeit“ eine Rolle. Schaut man sich die Aufgabengebiete des VD („Ihr Aufgabengebiet sind vorrangig Ordnungswidrigkeiten wie unerlaubte Müllentsorgungen, belästigendes oder aggressives Betteln, oder unerlaubtes Urinieren auf der Straße.“, https://www.freiburg.de/pb/1149399.html, 17.03.2021, 13 Uhr) an, muss man leider feststellen, dass offensichtlich wirtschaftlich schwache Personengruppen wie Obdachlose zum einen mit Müll in einem Satz genannt werden und zum anderen auch offensichtlich ungewollt sind und aus der Innenstadt verschwinden sollen. Damit ist zwar das „Symptom“ behandelt und die Stadt sieht auf den ersten Blick  „schöner“ aus, das Problem wird damit aber schlichtweg nur in andere Stadtteile verlagert und am allerwenigsten bekämpft. Auch hier wäre es nachhaltiger in die soziale Arbeit zu investieren. 

Stefan Kremer, Geschäftsführer des Cafe Atlantik in der Freiburger Innenstadt

Als Gastronom weiß ich, dass die Konflikte um Lärm in dieser Stadt am besten im Dialog gelöst werden. Eine vermeintlich einfache Antwort durch Repression und Uniform verlagert nur die Probleme, so werden sie nicht gelöst. Unsere Gäste leben größtenteils in Freiburg und haben das Bedürfnis nach Geselligkeit, Kultur und Party. Es passt nicht zu unserer liberalen Stadt und ich wünsche mir hier mehr Offenheit von Verwaltung und Stadt gegenüber nachhaltigeren Problemlösungen. In der Stelle des Nachtmanager*in sehe ich Potential für einen neuen Weg, der auch die Bedürfnisse von uns Gastronom*innen besser berücksichtigen. 

Auch wir sind stark von der Corona Pandemie betroffen und verstehen, dass die Stadt Geld sparen muss. Deshalb verstehe ich, dass neben Kultur, Soziales und Infrastrukturprojekte auch beim Vollzugsdienst Geld eingespart werden soll.

Stephan Schleith, Mitglied der Grünen Freiburg und dort aktiv im AK Sicherheit

Sicherheitspolitik bedeutet auch hier in Freiburg leider nur mehr und mehr. Dabei werden nie vorhandene Synergien genutzt.
Das Ordnungsamt gönnt sich mit dem KVD und VD zwei sehr teure, aber voneinander getrennte Personalstränge. Eine langfristige Strategie, diese beiden Gruppen zusammenzulegen, sehe ich leider nicht. Und Evaluationen seitens der Stadt sind dazu wohl auch eher untauglich.
Ich unterstütze die Mehrheit im Gemeinderat, die Stellen beim Vollzugsdienst zu kürzen, weil wir keine 2. Polizei in Freiburg benötigen.
Sollte die Stadtverwaltung im Vorfeld einer solchen Entscheidung, die über den GR beschlossen wird, keine zeitlich begrenzten Arbeitsverträge abgeschlossen haben, ist vor allem fahrlässig mit Steuergeldern und den Mitarbeitenden umgegangen worden.

Prof. Dr. Albert Scherr, Soziologe und und politisch engagierter Bürger

Die wissenschaftliche Forschung hat immer wieder nachgewiesen, dass Kriminalitätsfurcht und wirkliche Gefährdung durch Straftaten auseinanderklaffen. Das heißt: Das Ausmaß der subjektiv empfundenen Bedrohung und die reale Bedrohung haben kaum einen Zusammenhang. Z.B. sind als gefährlich erlebte Orte in mancher Hinsicht tatsächlich weniger risikoreich als vermeintliche sichere Räume im privaten Umfeld. Oft fürchten sich diejenigen am meisten, die am wenigsten einen tatsächlichen Grund dafür haben, und umgekehrt. Auch sind die realen Täter/innen vielfach andere als diejenigen, die gewöhnlich verdächtigt werden. Nachweisbar ist Furcht vor Kriminalität zudem gewöhnlich ein Ausdruck anders bedingter Unsicherheiten und Ängste. 

Politisch hat dies zur Konsequenz, dass Sicherheitspolitik veranlasst ist, sowohl auf solche Befürchtungen zu reagieren, die wenig rational sind, als auch auf tatsächliche Gefährdungen. Und es nicht immer leicht, beides zu unterscheiden. Ein erheblicher Teil von sicherheitspolitischen Maßnahmen ist deshalb vor allem eine Symbolpolitik, die das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger/innen verbessern soll, ohne tatsächlich Straftaten verhindern zu können.Betrachtet man die Diskussion um den KOD vor diesem Hintergrund, dann liegt es nahe, darin vor allem eine kostenintensive symbolpolitische Maßnahme zu sehen, deren Auswirkungen auf tatsächliche Gefährdungen unklar und fraglich ist. Folglich ist es begründbar, hier in Zeiten knapper Kassen Kürzungen zu fordern. Kostengünstiger wäre es, das Sicherheitsgefühl der Bürger/innen durch eine politische und mediale Kommunikation zu verbessern, die auf wiederkehrende dramatisierende Beschreibungen unserer Stadt Freiburg als gefährlicher Kriminalitätsschwerpunkt verzichtet. 


Anna Rasputina, Bundestagskandidatin für Volt in Freiburg

Die Coronakrise hat uns alle hart getroffen. Die Haushaltslage der Stadt sieht ehrlich gesagt düster aus. Jetzt wird gespart im Sozialbereich, bei der Kultur, beim Schulausbau, der Infrastruktur… Die freien Träger im Sozialbereich, bei KiTas, Kindergärten oder der Jugendhilfe bekommen nicht einmal die 1,5% Lohnerhöhung, für die die Beschäftigten letztes Jahr gestreikt haben. In dem Kontext lässt sich schwer argumentieren, dass Einsparungen ausgerechnet beim VD zu weit gehen. 

Dass in Freiburg die Kriminalität zurückgeht, genau wie in ganz Deutschland seit Jahren und 2020 dazu in einem Jahr, in dem Corona-bedingt das Nachtleben quasi total zum erliegen gekommen ist, kann niemand ernsthaft nur dem VD zurechnen. Als Doppelstruktur neben der Polizei, nach einer 6-wöchigen Ausbildung mit Pfefferspray und Schlagstöcken bewaffnet, halte ich es auch für fraglich, ob durch 6 Stellen mehr beim VD tatsächlich für alle Freiburgerinnen und Freiburger das Sicherheitsgefühl verbessert wird. 

Dass wir diskutieren müssen, wie wir ein Freiburg ein sicheres Miteinander schaffen, ist klar. Aber dann immer nur zu sagen, es muss mehr Polizei her und wenn das nicht geht, dann machen wir uns unsere eigene kleine Polizei: das kann es nicht sein. Wir von Volt halten es daher für gerechtfertigt, auch den VD von den notwendigen Sparmaßnahmen nicht auszunehmen.

Anna Nell, Vorsitzende von Junges Freiburg:

Die Streichung der Stellen ist ein wichtiges Zeichen für weniger Repression und mehr Prävention. Gerade für junge Menschen sorgt die Präsenz von Personen in Uniform, mit Bewaffnung für ein Unwohlsein und das Gefühl andauernd kontrolliert und überwacht zu werden. Diese Wahrnehmung junger Menschen wird vom OB und dem Vollzugsdienst durchgehend kleingeredet, ignoriert und als irrelevant abgetan. Der Mangel an organisierten Freiräumen für junge Menschen in Freiburg sorgt dafür, dass wir uns eigene Freiräume schaffen müssen. Die Antwort der Stadt darauf darf nicht mehr Repression und Überwachung sein!
Zudem schafft die Präsenz des VD, welcher für Ordnungswidrigkeiten zuständig ist nur eine scheinbare, gefühlte Sicherheit. Für mehr Sicherheit insbesondere für nicht Cis-Männer braucht es andere Maßnahmen wie Straßenbeleuchtung und Präventionskonzepte.
Nehmt uns endlich ernst.

Bündnis feministischer Gruppierungen aus Freiburg

Nach umstrittener Einführung des kommunalen Ordnungsdienstes/städtischen Vollzugsdiensts 2017 beantragen die Fraktionen der Grünen, JUPI und Eine Stadt für alle die Abschaffung bzw. Kürzung des Vollzugsdienstes (VD) um sechs Stellen. In der dritten Haushaltslesung am 27.04.2021 soll darüber im Gemeinderat abgestimmt werden. Einige Gemeinderatsmitglieder argumentieren gegen die Kürzung und am 13.04.2021 wurde ein sog. Frauenbrief seitens einiger Bürger*innenvereine veröffentlicht, der sich gegen die Kürzung beim Vollzugsdienst stellt. Begründet wird dies vordergründig mit der vermeintlichen höheren Sicherheit für Frauen in der Öffentlichkeit durch den Vollzugsdienst. Im Brief wird aber auch deutlich, dass es vor allem um den „Schutz der Nachtruhe, die Sicherheit und Sauberkeit in der Stadt“ geht. Im Brief wird vermeintlich aus Sicht „der Frauen“ geschrieben. Doch wir als Feminist*innen, als Frauen, Lesben, Inter, Nonbinary-Personen, Trans* (FLINT*) sagen: Das gilt nicht für uns! Hier wird bei Weitem nicht für alle Frauen gesprochen! Mit diesem Brief wollen wir aufzeigen, dass die Kürzung oder Abschaffung des Vollzugdiensts weder frauenfeindlich ist und der Vollzugsdienst längst nicht der Sicherheit aller FLINT* in Freiburg dient. Stattdessen wäre die Kürzung beim VD ein wichtiger Schritt in Richtung einer inklusiven Stadt. Denn der VD schafft nicht für alle Menschen Sicherheit. 

Der repressive Charakter, der in dem Schreiben vom 13.04.2021 angezweifelt wird, liegt allein schon in der unmittelbaren Anwesenheit Uniformierter, die für viele mit Erinnerungen und Wissen über Ablehnung, Nicht-Gehört-Werden und direkten Verfahren gegen sie verbunden ist, allein aufgrund ihrer Art zu leben oder ihnen zugeschriebenen Rassifizierungen. Die Evaluation der Sicherheitspartnerschaft hat klar gezeigt, dass sich ein nicht geringer Anteil (ca. 40% der Befragten) durch die Anwesenheit des Vollzugsdienstes eingeschränkt fühlt. Und dabei wurden noch nicht mal eine repräsentative Gruppe der Nutzer*innen der Innenstadt befragt, sondern lediglich Anwohner*innen. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, wie der VD zu einer tatsächlichen Verminderung von sexueller Belästigung und Übergriffen führt. Viele, die sexuelle Übergriffe erlebt haben, wenden sich ungern an Behörden, weil dies oft nur eine weitere Ohnmachtserfahrung bedeutet: Nicht ernstgenommen zu werden mit dem Erlebten. 

Auch die Evaluation der Sicherheitspartnerschaft hat gezeigt, dass sexuelle Belästigung und Übergriffe zwar einer der Hauptfaktoren für Unsicherheit in der Innenstadt sind. Doch hat sie auch ergeben, dass sich die Befragten durch präventive Maßnahmen wie das Frauennachttaxi, mehr Beleuchtung und verlängerter ÖPNV sicher fühlen. Wenn es wirklich um die Verhinderung von sexuellen Übergriffen geht, sollte der VD deutlich gekürzt bzw. abgeschafft werden um mehr Geld für präventive Maßnahmen zur Verfügung zu haben. So hatte bspw. der Verein samt und sonders im Januar 2021 im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Antrag für den Aufbau von Awareness-Strukturen im Nachtleben eingebracht. Dadurch würde proaktiv und präventiv auf die Verringerung von diskriminierenden und übergriffigen Situationen hingearbeitet. Dieser Antrag wurde jedoch vom Großteil der Fraktionen abgelehnt und zeigt, dass der Schutz von FLINT* im Nachtleben eindeutig nicht der Hauptfokus städtischer Maßnahmen ist. Auch der Brief der Bürger*innenvereine argumentiert lediglich ideologisch und vorgeschoben mit dem vermeintlichen Schutz von cis-Frauen.

Denn der VD beschäftigt sich hauptsächlich damit, Wohnungslose zu vertreiben und öffentliches Urinieren anzuzeigen. Insbesondere (osteuropäische) Bettler*innen, Straßenmusiker*innen und junge Menschen stehen im Fokus der Maßnahmen des VD. Abgesehen davon, dass öffentliches Urinieren wohl besser durch die präventive Maßnahme öffentlicher Toiletten unterbunden wäre, zeigt sich darin, dass es beim VD nicht um Sicherheit geht, sondern lediglich um die Aufrechterhaltung einer ganz spezifischen Vorstellung einer Stadt, in der sich konsumieren lässt, ohne von Armen und Marginalisierten gestört zu werden. Mit dem VD lediglich auf eine Verbesserung des Sicherheitsgefühls zu setzen, ist allenfalls eine populistische Maßnahme und geht an realen Problemen vorbei.

Die Normierung des Stadtbildes über die autoritäre Maßnahme der Sittenwächter und das strafende Vorgehen sind nicht die Maßnahmen, die unserer Meinung nach zu einem positiven gesellschaftlichen Klima beitragen. Stattdessen müssen Probleme, die aus der patriarchal organisierten Gesellschaft resultieren, mit präventiven und grundsätzlichen Maßnahmen angegangen werden. Die ‚Lösung‘ über den Beschützer in Gestalt des Behördenmitarbeiters fixiert FLINT* dagegen nur in einer Opferrolle. Weitere Ideen für präventive Maßnahmen sind z.B. Veranstaltungsreihen zu Formen von sexueller Belästigung und kritischer Männlichkeit, Auf- und Ausbau von Awareness-Strukturen im Freiburger Nachtleben (siehe Antrag von samt und sonders vom Januar 2021), Plakatkampagnen gegen Catcalling und vieles mehr. Darüber hinaus müssen Schutzräume wie Frauenhäuser und feministische Strukturen noch deutlich besser finanziell unterstützt werden.

Wir möchten betonen: Der „Frauenbrief“ vom 13.04.2021 behauptet, die Sicherheit von Frauen als Anliegen zu haben, viel mehr zeigt sich aber, dass Ruhe, Sauberkeit und ungestörtes Konsumieren als verstecktes Hauptanliegen fungieren. Mit diesem Brief machen wir deutlich: Die Kürzung, sogar die Abschaffung des städtischen Vollzugsdienstes, sind voll in unserem Sinne und wir fordern, auch im Gemeinderat den Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses umzusetzen.

Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Freiburg, Fantifa Freiburg, FemBPM Freiburg , feministische gruppe realitätenwerkstatt, Feministische Linke (FeLi), fz* – feministisches zentrum freiburg, Genderreferat Uni Freiburg, Grüne Alternative Freiburg, Junger DBSH Freiburg (Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.), Octopussya, Recht auf Stadt Netzwerk, TransAll e.V. Freiburg, Tritta* – Verein für feministische Mädchen_arbeit e.V., Unabhängige Frauen Freiburg, Unbeherrscht

Dorothea Schiewer, Aktivistin bei den Jusos Freiburg

Ich freue mich, dass die Forderungen der parteipolitischen Jugendorganisationen aus dem Sommer in den aktuellen Haushaltsverbandlungen endlich Gehör finden. Freiburg ist eine offene, soziale und junge Stadt und muss das auch im Bereich der „Sicherheit“ zeigen. Dabei ist Repression der falsche Ansatz wie die fragwürdige Evaluation der Arbeit des VD gezeigt hat. Stattdessen muss das Recht (junger) Menschen auf Freiräume in der Stadtgesellschaft anerkannt und diesem Recht nachgekommen werden. In solche Freiräume wäre das Geld des VD beispielsweise deutlich sinnvoller investiert.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Sicherheit nicht eindimensional gedacht wird, sondern verschiedene Perspektiven gesehen und Stimmen Gehör finden. Durch den VD werden oft einseitige Interessen von Anwohner*innen erfüllt, bei anderen hinterlässt er ein Gefühl der Unsicherheit. Die Stadt als zentraler Freiraum für alle Freiburger*innen muss jedoch für die Teilhabe am sozialen Leben ohne Repression zugänglich sein.